Hochschulweiterbildung kann für Personen mit höherer Berufsbildung ein Vorteil sein

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Auch Personen mit einer höheren Berufsbildung können vom breiten Angebot der Hochschulweiterbildung profitieren. Im CES-Bericht wird deshalb am Beispiel der beliebten Weiterbildung zum Master of Advanced Studies (MAS) untersucht, welchen Wert die Arbeitgebenden diesen Weiterbildungsabschlüssen bei Personen mit einer höheren Berufsbildung zusprechen.

Von Ladina Rageth, Aranya Sritharan, Ursula Renold¹

Treiber wie die Globalisierung und die Digitalisierung fördern das «lebenslange Lernen» und führen zu Verschiebungen des Tätigkeitsbereichs vieler Arbeitnehmender – beispielsweise von Routine- zu Nicht-Routine-Arbeiten. Dies erfordert eine regelmässige Aktualisierung der eigenen Fähigkeiten. Deshalb müssen auch Personen mit einem hohen Bildungsniveau laufend in Weiterbildungen investieren. Um dieser gestiegenen Nachfrage nach spezialisiertem Wissen gerecht zu werden, bieten die Universitäten und Fachhochschulen in der Schweiz ein immer grösser werdendes Angebot an Weiterbildungen an. Ein beliebtes Format ist der Master of Advanced Studies (MAS)², welcher mit einem Umfang von 1500 bis 1800 Arbeitsstunden das umfangreichste Weiterbildungsangebot der Hochschulen darstellt.

Hochschulweiterbildungen sollen gemäss Schweizer Rechtsgrundlagen primär als «Post-Graduierten-Kurse» angeboten werden, d.h. für jene Personen, die über einen akademischen Abschluss verfügen. Allerdings können Hochschulen unter bestimmten Voraussetzungen auch Personen mit einem höheren Berufsbildungsabschluss «sur dossier» aufnehmen. Der vorliegende Beitrag untersucht, ob sich eine solche Hochschulweiterbildung für Personen mit einer höheren Berufsbildung lohnt. Dazu analysieren wir im Rahmen eines Befragungsexperiments, wie Arbeitgebende fiktive Bewerbungsprofile bewerten.

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Anmerkung: Die Abbildung zeigt beispielhaft ein in der Befragung verwendetes fiktives Bewerbungsprofil für die Position «Leitung IT».

Befragungsexperiment zur Simulation von Rekrutierungsprozessen

Ein Befragungsexperiment besteht aus zwei Teilen: Nebst Fragen zu den Merkmalen und beispielsweise Einstellungen der befragten Person enthält eine solche Befragung einen quasi-experimentellen Teil. Innerhalb dieses Quasi-Experimentes werden die Befragten in möglichst realistisch anmutende Alltagssituationen versetzt und um eine Entscheidung gebeten. In unserem Fall baten wir Arbeitgebende mit Rekrutierungserfahrung um ihre Bewertung von fiktiven Bewerbungsprofilen für hypothetische Stellenausschreibungen. Um möglichst realistische Bewerbungsprofile und Stellenausschreibungen zu erstellen, analysierten wir einerseits reale Stellenausschreibungen, andererseits erhielten wir dazu Rückmeldungen von Rekrutierungsexperten und -expertinnen aus unterschiedlichen Branchen. Damit wollten wir sicherstellen, dass alle fiktiven Lebensläufe tatsächlich für die ausgewählten Stellen qualifizieren.

Die fiktiven Bewerbungsprofile unterschieden sich in mehreren Dimensionen, insbesondere jedoch hinsichtlich des Bildungswegs der Bewerberin oder des Bewerbers. In diesem Beitrag fokussieren wir auf Personen mit einer höheren Berufsbildung, konkret auf solche, die eine Höhere Fachprüfung (HFP) oder eine Höhere Fachschule (HF) abgeschlossen haben, und solche, die zusätzlich einen MAS abgeschlossen haben.³ Abbildung 1 zeigt beispielhaft, wie ein fiktives Bewerbungsprofil einer Person mit einer höheren Berufsbildung und einem MAS ausgesehen hat.

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Anmerkung: Verteilung der Einstellungen zur Aussage «Eine Weiterbildung ist vermehrt notwendig, um höhere Positionen zu erlangen» nach Position. N für Verkaufsleitung=2032, Leitung IT=838, Pflegefachfrau/-mann=310.

Um möglichst viele Arbeitgebende in die Befragung miteinbeziehen zu können, erstellten wir hypothetische Stellenausschreibungen für Positionen, die viele verschiedene Branchen abdecken: Dies waren die drei höheren Positionen «Verkaufsleitung»4, «Leitung IT» und «Pflegefachfrau/-mann». Zu Beginn der Befragung konnten die Befragten diejenige Position auswählen, mit welcher sie am besten vertraut sind. Anschliessend erhielten sie eine kurze Beschreibung dieser offenen Position und wurden um die Bewertung von vier unterschiedlichen Bewerbungsprofilen gebeten.

Den Mehrwert eines MAS ermitteln wir anhand der Antworten auf zwei Fragen, welche die Befragten dabei beantworteten:

  1. Wie wahrscheinlich ist es, dass Ihr Unternehmen diese Kandidatin bzw. diesen Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch einladen wird (auf einer Skala von 1 = sehr unwahrscheinlich bis 10 = sehr wahrscheinlich)?
  2. Welches Einkommen würden Sie für diese Person empfehlen (monatliches Bruttoeinkommen in CHF für ein 100-Prozent-Pensum)?

Insgesamt haben sich 2384 Arbeitgebende mit Rekrutierungserfahrung aus der gesamten Schweiz an der Befragung beteiligt.

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Anmerkung: Die Grafik zeigt die Schätzwerte aus den Mehrebenen-Regressionsanalysen. Diese schätzen den Unterschied zwischen Personen mit einer höheren Berufsbildung und solchen mit einer höheren Berufsbildung und einem MAS in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Die vertikalen Klammern weisen die 5-Prozent-Vertrauensintervalle dieser Schätzwerte aus. Ein Schätzwert ist mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit gesichert, wenn die Klammer die Null-Linie nicht überschneidet. N für Verkaufsleitung=2081, N für Leitung IT=853, N für Pflegefachfrau/-mann=639.

Besuche von Weiterbildungen verschaffen Zugang zu höheren Positionen

Im Rahmen der Fragen zu den Einstellungen der Arbeitgebenden baten wir diese, einige Aussagen zum Thema Aus- und Weiterbildung zu beantworten. Dabei präsentierten wir ihnen ausgewählte Aussagen, welche sie auf einer Skala von 1 (=trifft überhaupt nicht zu) bis 5(=trifft voll und ganz zu) bewerten konnten. Eine dieser Aussagen lautete: «Eine Weiterbildung ist vermehrt notwendig, um höhere Positionen zu erlangen.» Abbildung 2 stellt die Verteilung der Antworten zu dieser Aussage nach Position dar. Wie deutlich wird, stimmt die überwiegende Mehrheit der Arbeitgebenden der Aussage, dass heutzutage für höhere Positionen vermehrt eine Weiterbildung notwendig ist, eher oder voll und ganz zu.

Im Rekrutierungsprozess wird ein MAS belohnt

Eine Analyse der Bewertungen der verschiedenen Bewerbungsprofile zeigt uns, ob sich diese Einstellung der Arbeitgebenden auch in einem Rekrutierungsprozess bemerkbar macht, das heisst, welchen Mehrwert sie einem MAS attestieren. So untersuchten wir mithilfe von Mehrebenen-Regressionsanalysen, wie sich die Wahrscheinlichkeit für ein Vorstellungsgespräch und das empfohlene monatliche Bruttoeinkommen ändert, wenn eine Person zusätzlich zu einer höheren Berufsbildung einen MAS erworben hat. Dank des experimentellen Designs der Befragung können wir so den kausalen Effekt eines MAS auf diese beiden Bewertungen berechnen.

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Anmerkung: Die Grafik zeigt die Schätzwerte aus den Mehrebenen- Regressionsanalysen. Diese schätzen den Unterschied zwischen Personen mit einer höheren Berufsbildung und solchen mit einer höheren Berufsbildung und einem MAS in Bezug auf das empfoh- lene monatliche Bruttoeinkommen. Die vertikalen Klammern wei- sen die 5-Prozent-Vertrauensintervalle dieser Schätzwerte aus. N für Verkaufsleitung=1854, Leitung IT=724, Pflegefachfrau/-mann=536.

Die Abbildungen 3 und 4 zeigen den Unterschied in der Wahrscheinlichkeit für ein Vorstellungsgespräch bzw. im empfohlenen monatlichen Bruttoeinkommen zwischen Bewerbenden mit einer höheren Berufsbildung und solchen mit einer höheren Berufsbildung und zusätzlich einem MAS pro Position. Bewerbende, die zusätzlich zu einem Abschluss der höheren Berufsbildung einen MAS besitzen, werden eher zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen als Personen, die keinen MAS haben (siehe Abbildung 3). Dies gilt jedoch nur für die beiden Positionen «Verkaufsleitung» und «Leitung IT», während für die Pflege eher diejenigen Bewerbenden ohne MAS eingeladen werden. Dieser Effekt ist jedoch nicht statistisch gesichert.

Ein einheitlicheres Bild zeigt sich, wenn wir den Effekt eines MAS auf den durch die Arbeitgebenden empfohlenen Lohn betrachten (siehe Abbildung 4). Für alle drei höheren Positionen bringt der Erwerb eines MAS einen Lohnvorteil. Dieser Lohnvorteil beträgt bei der höheren Position «Verkaufsleitung» etwa 1Prozent, bei der «Leitung IT» knapp 2Prozent und bei «Pflegefachfrau/​-mann» fast 3Prozent. Diese Ergebnisse sind alle statistisch gesichert.

Zusammenfassung

Die vorliegende Analyse untersucht, welchen Wert eine Hochschulweiterbildung für Personen mit einer höheren Berufsbildung auf dem Arbeitsmarkt hat. Weiterbildungen gewinnen durch aktuelle Trends wie Digitalisierung und Globalisierung für einen Grossteil der Arbeitnehmenden zunehmend an Bedeutung. Somit sind auch Personen mit einer Tertiärbildung gefragt, laufend in ihre Weiterbildung zu investieren, zum Beispiel anhand der an Bedeutung gewinnenden Hochschulweiterbildungen. Anhand eines Quasi-Experiments mit Arbeitgebenden in der Schweiz zeigen wir auf, dass sich ein Weiterbildungsabschluss einer Hochschule in Form eines MAS nach einer höheren Berufsbildung auf dem Arbeitsmarkt lohnt. Für die untersuchten höheren Positionen führt ein MAS zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, mit Ausnahme der Position in der Pflege, und zu einem höheren monatlichen Lohn. Diese Resultate widerspiegeln die Einstellung der befragten Arbeitgebenden, dass für höhere Positionen vermehrt eine Weiterbildung notwendig sei.

¹ Professur für Bildungssysteme, ETH Zürich, in Kooperation mit Yousty AG. Das Projekt wurde von der Hirschmann-Stiftung finanziert.

² In diese Kategorie der Hochschulweiterbildung gehören auch das Certificate of Advanced Studies (CAS) und das Diploma of Advanced Studies (DAS). Daneben gibt es weitere Formate der Hochschulweiterbildung, abhängig von der jeweiligen Hochschule.

³ Dabei handelt es sich konkret um die folgenden Abschlüsse: Eidg. Dipl. Verkaufsleiter/-in (HFP), MAS Marketing Management, Eidg. Dipl. ICT-Manager/-in (HFP), MAS Information System Management, Dipl. Pflegefachfrau/​-mannHF, MAS Pflege.

4 Für Befragte aus der öffentlichen Verwaltung wurde diese Position «Leitung Organisationseinheit» genannt.