Verschiedene Sichtweisen und gezieltes Weiterbilden als Erfolgsmodell

Trummer_Aktion

Nicht nur das HF-Studium hat Patrick Trummer als Karrierelift genutzt, sondern auch seinen Wissensdrang und seine Aufgeschlossenheit. Das Einnehmen verschiedener Blickwinkel, ob im Geschäftsleben oder privat, ermöglicht stets einen Lernzuwachs und nur pragmatische Lösungen genügen nicht mehr.

Mit Patrick Trummer* sprach Jsabelle Tschanen

Patrick Trummer, Sie sind als Abteilungsleiter Bau und Bauverwalter der Gemeinde Münchenbuchsee tätig. Was sind Ihre Hauptaufgaben?

Die Abteilungsleitung umfasst die Koordination der Fachgebiete Baupolizei, Planung, Hoch- und Tiefbau. Die primäre Aufgabe ist, zwischen Gesellschaft, Politik und Märkten zu agieren und die Betriebskultur hierauf auszurichten.

Einige Aufgaben erfordern die Leitung bzw. die Kontrolle von Projekten von strategisch hoher Bedeutung mit weitreichenden Folgen. Die politische Bedeutung ist meist gross und die Zusammenarbeit von zwei oder mehreren politischen Kommissionen ist gefordert. Im Bereich Planung kann dies beispielsweise die Neugestaltung der Ortsdurchfahrt sein, im Bereich Hochbau handelt es sich eventuell um die Koordinationen der komplexen Schulraumplanung oder umfangreichen Sanierungen der Liegenschaften. Im Bereich Tiefbau gehören Zusammenarbeitsmodelle mit Gemeinden, Outsourcing-Projekte oder spannende Geschäftsaufbereitungen von Rechtsfällen dazu. «Last but not least» ist das Bauinspektorat mit seinen umfassenden baupolizeilichen Aufgaben zentraler Teil der Bauabteilung.

Diese Koordination stelle ich mir herausfordernd vor, was ist das Geheimnis?

Entscheidend für die Betriebskultur sind insbesondere Transparenz, ein gesundes Fehlermanagement und Loyalität, um im Team Prozesse zu definieren, Schnittstellen zu verringern und komplexen Gesamtprojekten im Bau interdisziplinär und kompetent gerecht zu werden. Es kommen täglich neue Herausforderungen dazu, für welche in den wenigsten Fällen ein vorgefertigtes Lösungsmuster aus der Schublade gezogen werden kann.

Mit welchen Schwierigkeiten waren Sie im letzten Jahr mit den Pandemievorschriften konfrontiert?

Anfang 2020 mit den ersten Massnahmen des BAG kam einher, dass meine Bauverwalter-Abschlussprüfung verschoben wurde und quasi zeitgleich mit meiner Dozententätigkeit zusammenfiel. So legte ich meine Prüfung tagsüber ab und als sich die Mitstudierenden abends ein Bier gönnten, nahm ich als Dozent die Prüfungen des Moduls Wasserbau ab. Die mittlerweile veraltete Technik zuhause machte die Situation nicht einfacher und der Lärm meiner Kinder war – nett ausgedrückt – ungewohnt.

Im Betrieb galt es zudem, die Vorgaben von Bund und Kanton umzusetzen. Es waren so viele Fragen offen und dennoch war eine korrekte Haltung einzunehmen und klare Anweisungen zu erteilen. So wurde während der ersten Welle die Verbindlichkeit der Empfehlung für Homeoffice sehr emotional diskutiert. Der anfängliche Schock-Effekt erzeugte hierfür aber ein dienliches Mass an Selbstdisziplin der Einzelnen, was die Umsetzung erleichterte. Hilfreich zur Bewältigung der Probleme war, die Meinungen aller zu respektieren und den Ängsten etwas mehr Platz einzuräumen als der Sorglosigkeit.

Sieben Jahre nach Ihrer Lehre als Bauzeichner haben Sie das HF-Diplom Fachrichtung Tiefbau an der gibb Bern absolviert. Wie sehr hat das Studium Ihre Arbeitskarriere beeinflusst?

Lange Zeit nach meiner Lehre und der Rekrutenschule war ich mit kleineren Projekten durchaus begnügt, stellte dann aber fest, dass einige Türen von selbst nicht aufgehen. Für mich standen im Weiteren ausschliesslich berufsbegleitende Weiterbildungen im Vordergrund. Bereits gegen Ende der Bauleiterausbildung ergriff ich die Möglichkeit, auch noch das HF-Studium zu absolvieren, welches rückblickend durchaus mit einem Karrierelift zu vergleichen ist. Mit anderen Worten standen mir in der Bau- und Planungsbranche plötzlich unerwartet viele Möglichkeiten offen. Da ich bereits während des Studiums gerne im öffentlichen Dienst stand, behielt ich diese Ausrichtung bei und konnte mich mit entsprechenden Weiterbildungen gezielt entwickeln.

Welche Weiterbildungen haben Sie darüber hinaus abgeschlossen und was hat Sie motiviert?

Ich habe parallel zum HF-Diplom die Weiterbildung zum Bauleiter Tiefbau absolviert und im Anschluss für die Dozententätigkeit einen Studienblock Didaktik. Danach hatte ich die Möglichkeit, eine kommunal ausgerichtete, kantonal anerkannte Weiterbildung zum Fachangestellten Gemeinde und im Anschluss das Diplom zum Bernischen Bauverwalter zu absolvieren. Meine Motivation lag darin, dass ich die Situationen einerseits auf Baustellen, aber auch in einer öffentlichen Verwaltung aus mehreren Blickwinkeln betrachten kann. Seit ich mir der Tatsache bewusst bin, zu welchem Kontrast mehrere Blickwinkel führen können, räume ich gerne einer kontroversen Diskussion mehr Zeit ein als dass ich eine pragmatische Lösung genügen lasse.

Welches Studium hat Sie am weitesten gebracht?

Der gesellschaftliche Stellenwert einer Berufslehre, wie ich sie vier Jahre absolvierte, ist leider mit der Akademisierungstendenz lange Zeit nicht mehr im verdienten Licht erschienen und hat an Boden verloren. Ich habe den Eindruck, dass oft vergessen geht, wie wichtig Soft Skills, die persönlichen, die sozialen und die methodischen Kompetenzen, die man hier erwirbt, sind. Dennoch waren die Entwicklungsmöglichkeiten im Anschluss sehr gross.

Wie bereits erwähnt, hat sich nach dem HF-Studium alles um den Studiumsschwerpunkte Ingenieurtiefbau aufgebaut. Entweder habe ich in Nebenschauplätzen meine Kompetenzen ergänzt oder in zentralen Aufgaben vertieft. Vieles von dem Gelernten werde ich nicht anwenden können, das war immer klar und das ahnen bekanntlich auch viele andere Studierende, die sich breit weiterbilden. Dennoch lernt man gerade bei diesen «fremden» Lernzielen das Lernen und seine eigenen Grenzen.

Bereits drei Jahre nach Ihrem HF-Abschluss wurden Sie an derselben Höheren Fachschule Dozent für Verkehrswegbau respektive ab 2019 für Wasserbau. Was reizt Sie an dieser Tätigkeit?

Die Atmosphäre der Studieneinrichtung, im Besonderen das anmutig sandsteingeprägte Schulhaus Viktoria Bern ist beeindruckend, hier wollte ich gerne Teil davon sein. Ausserdem ist es für mich immer reizvoll, die Blickwinkel zu wechseln. Wenn die Studierenden aufmerksam zuhören, entschädigt das ungemein für das oft hart Geleistete und in Erfahrung Gebrachte. Dieser entgegneten Aufmerksamkeit ist aber auch gleich eine hohe Kompetenz geschuldet, ohne jene die Dozentenrolle nicht gerechtfertigt wäre. Auch hier zeigt sich: Die Abschlüsse sind das eine, das Gelernte das andere, und manchmal sogar das Gelebte noch einmal anders.

Wie haben Sie Ihr Arbeitsleben, die Weiterbildungen, Ihre Dozententätigkeit und Ihre Familie gleichzeitig unter einen Hut gebracht?

Das will ich nicht schönreden – das Vorhaben, alles unter einen Hut zu bringen, war meist mit viel Emotionen, Schmerzen und Schweiss verbunden – und oft auch mit einer Überdosis Selbstdisziplin. Und manchmal blieb es beim Vorhaben, denn nicht alles hatte unter dem Hut Platz, entsprechend gehörten auch schmerzhafte Rückschläge dazu.

Nicht alle in meinem Bekanntenkreis würden von sich behaupten, dass sie auch tatsächlich immer unter dem genannten Hut Platz hatten. Ich neige auch gerne dazu, einige Plätze für andere Meinungen und damit weiteres Lernen freizuhalten. Dass aber meine Familie immer einen festen Platz in der vordersten Reihe hatte und haben wird, stellt meine Frau sicher, welche gemeinsam mit mir die «Hut-Geschäftsleitung» bildet.

Kurz nach Ihrem HF-Abschluss sind Sie dem ODEC beigetreten. Inwiefern profitieren Sie von unserem Verband und gibt es auch Kritik?

Der ODEC strebt seit jeher danach, den Stellenwert der Höheren Fachschulen zu stärken. Das Zertifikat «Professional Bachelor ODEC» und der Titel «Ing. EurEta» liessen Erklärungen über die Gleichwertigkeit meiner Abschlüsse oft überhaupt erst zu. HF-Diplomierte kennen die Diskussionen der Buchstabenreihenfolge (HF/FH) bestens, aber nicht alle sind sich ihrer eigenen Arbeits- und Sozialkompetenzen, welche das berufsbegleitende (!) HF-Studium zusätzlich mit sich bringt, auch wirklich bewusst. Sie vermögen eine Gleichwertigkeit deshalb oft nicht zu begründen. Hierfür eignet sich eben auch das «Supplement» im Rahmen des Pbac-Eng ODEC mit den Details zu Level, Länge und Studienrichtung.

Dienlich waren mir ausserdem insbesondere die Salärstudien für Lohnverhandlungen. Kritisieren möchte ich, dass mein 10-Jahr-Jubiläums-USB-Stick die gelungene Identifikation/Aufschrift des ODEC – «Real Professionals.Only.» – nach kurzer Zeit verloren hat (lacht). Das müsste nachlackiert werden.

Was sind Ihre Pläne und Zukunftswünsche?

Für die Zukunft wünsche ich mir sowohl für meine berufliche Tätigkeit wie auch im Privatleben, ein Ende der Pandemie oder im Wiederholungsfall einen etwas weniger dramatischen Umgang mit diesen Herausforderungen. Damit meine ich einerseits die Medien, die etwas vorsichtiger mit Zahlen umgehen könnten, aber auch die Politik, die nun Erfahrungen gewonnen hat, und auch den Menschen als Individuum in einer eigentlich reifen Sozialgesellschaft.

Im Weiteren hoffe ich darauf, dass der Geist der Studiengänge und das Ambiente an Fach- und Hochschulen durch allzu erhöhte physische Abwesenheiten nicht verloren geht. Es wäre nun auch an der Zeit, im Rahmen von Kaderausbildungen die Erfahrungen aus der Pandemie, zum Beispiel den herausfordernden Umgang mit Homeoffice aus Sicht des Arbeitgebers, didaktisch zu analysieren und zu lehren.

Meine persönlichen Visionen zielen derzeit in die Unterstützung meiner Kinder, was den Umgang mit dem Lehrplan 21 und moderner, digitaler Unterstützung betrifft. Mich auf befremdende Neuerungen einzulassen, lehrt und fordert mich derzeit ausreichend.

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