Die Relevanz von Lohnanpassungen angesichts des Fachkräftemangels

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In Anbetracht des anhaltenden Fachkräftemangels rücken Lohnanpassungen immer stärker in den Fokus. Aktuelle Auswertungen zu Teuerungsausgleich und Reallohnerhöhung aus der Broschüre «Saläre HF 2023/2024» verdeutlichen jedoch, dass die Bereitschaft zu solchen Anpassungen nicht selbstverständlich ist. Dies überrascht, wenn man bedenkt, dass die Schweizer Wirtschaft trotz diverser schlechter Umstände gewachsen ist. Die Abweichung zwischen steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes und unzureichenden Lohnanpassungen könnte dazu führen, dass Unternehmen vermehrt mit anhaltenden Abgängen wichtiger Fachkräfte konfrontiert sind.


Von Kay Uehlinger
 

Für die vergangenen beiden Jahre wurde der Schweizer Wirtschaft ein unterdurchschnittliches Wachstum prognostiziert. Krisen, wie die Pandemie oder der Ukraine-Konflikt, gaben unter anderem Anlass zur Sorge. Diesen bestehenden Krisen hat die Schweizer Wirtschaft getrotzt und ist in den letzten beiden Jahren sogar stärker gewachsen als angenommen. Mit einem Wachstum von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2022 und einem starken Start ins Jahr 2023 bestätigte die Schweizer Wirtschaft erneut ihre robuste Resilienz. Gemäss Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS) wurde das Plus vor allem durch den Dienstleistungssektor als auch das starke Wachstum im verarbeitenden Gewerbe angetrieben. Trotz anhaltender Inflation und abermals schlechten Konjunkturprognosen für die kommenden zwei Jahre steht die Schweizer Wirtschaft auf gesunden Beinen.

Auch die Teuerung ist in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern nur moderat, aber dennoch im dritten Jahr in Folge gestiegen. Auf das Jahr 2023 belief sie sich auf 2,2 Prozent. Die Lebenshaltungskosten haben sich entsprechend erhöht. Damit die Kaufkraft der Arbeitnehmenden nicht sinkt, sorgt der Teuerungsausgleich. Sprich, der Lohn wird an die Teuerung angepasst. Arbeitnehmende sollten sich somit trotz Inflation genauso viel leisten können wie vorher. Bei der Reallohnerhöhung wird der Lohn über den Teuerungsausgleich angehoben. Die Kaufkraft der Arbeitnehmenden nimmt dann zu.

In der von uns im Frühjahr durchgeführten HF-Umfrage haben wir den Absolventinnen und Absolventen HF die Frage gestellt, ob sie auf das Jahr 2023 einen Teuerungsausgleich oder eine Reallohnerhöhung erhalten haben. Die Ergebnisse der Umfrage haben wir in unserer Broschüre «Saläre HF 2023/2024» (www.odec.ch/sal_d) publiziert. In vergangenen Publikationen haben wir jeweils untersucht, wer eine Reallohnerhöhung erhielt und dieses Jahr zum ersten Mal auch eine Auswertung zum Teuerungsausgleich gemacht.

Über ein Viertel der Teilnehmenden hat an Kaufkraft verloren

Von den HF-Diplomierten, die an der Umfrage teilgenommen haben, geben über ein Viertel (27%) an, dass sie keinen Teuerungsausgleich von ihren Arbeitgebenden erhalten haben. Die Kaufkraft dieser Arbeitnehmenden hat abgenommen. Wer auch auf das Jahr 2022 keinen Teuerungsausgleich erhalten hatte (+2,8%), dessen Kaufkraft ist bereits um fünf Prozent gesunken. Bei laufend steigenden Kosten ist das nicht überall gleich gut zu verkraften. Wer eine Arbeitsstelle annimmt, erwartet daher mindestens den Teuerungsausgleich.

Auch der Wert derjenigen, die eine Reallohnerhöhung erhalten haben, ist eher niedrig. Von den 73 Prozent, die einen Teuerungsausgleich gekriegt haben, durften sich nur gerade 29 Prozent davon über eine Reallohnerhöhung freuen. Dieser Wert ist gegenüber unseren Auswertungen vor vier (–19%) und zwei Jahren (–5%), die wir zum Reallohn gemacht haben, rückläufig.

Arbeitgebende sind nicht verpflichtet, Lohnanpassungen vorzunehmen, sollten das aber berücksichtigen, um nicht zu riskieren, gute Mitarbeitende zu verlieren. Selbst wenn verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, die die Zufriedenheit der Arbeitnehmenden bestimmt, steht der Faktor Lohn mehrheitlich an erster Stelle. Nachteile überwiegen schliesslich, wenn Fachkräfte ein Unternehmen verlassen. Die Arbeitsbelastung der verbleibenden Mitarbeitenden steigt, das Unternehmen ist weniger produktiv, erleidet eventuellen Qualitätsverlust und unter Umständen sogar Wettbewerbsnachteile.

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Die Grafik zeigt den prozentualen Anteil des Teuerungsausgleiches und den Anteil an Reallohnerhöhungen nach Branchen auf. Beispiel: In der Branche «Energieversorgung» haben 77 Prozent einen Teuerungsausgleich erhalten und 40 Prozent eine Reallohnerhöhung.

Arbeitgeberverband: Studie zum Fachkräftemangel

Um eine andere Sicht auf den Fachkräftemangel zu haben, hat der Arbeitgeberverband eine Analyse in Auftrag gegeben, die die Vakanzdauer von Stelleninseraten aufzeigen soll. Die Analyse wurde von der Konjukturforschungsstelle (KOF) und der Volkswirtschaftlichen Beratung (BSS) durchgeführt. 

www.arbeitgeber.ch/arbeits-markt/arbeitskraefte/wo-der-schuh-beim-fachkraeftemangel-wirklich-drueckt/

Ziel war es, zu eruieren, welche Branchen, Berufe und Regionen die längsten Vakanzdauern ihrer ausgeschriebenen Stellen und daraus abgeleitet, den Fachkräftemangel, ausweisen. Branchen, die eine überdurchschnittliche Vakanzdauer im Bericht des Arbeitgeberverbandes aufzeigen, sind «Gesundheitswesen», «Informatik», «Baugewerbe» und «Architektur». Diese vier Branchen nutzen wir als Beispiele in Zusammenhang mit unserer Auswertung aus der Broschüre «Saläre HF 2023/2024».

Lohnanpassung nach Branchen

In unserer Grafik «Lohnanpassung nach Branchen in %» ist ersichtlich, welche Branchen Lohnanpassungen vornehmen und ob diese unter- oder überdurchschnittlich ausfallen. Die Branche «Gesundheitswesen» weist laut unserer Auswertung einen unterdurchschnittlichen Teuerungsausgleich auf. Hier wäre der Ansatz also angebracht, die Löhne anzupassen. Dasselbe gilt für die Branche «Informatik-Dienstleistungen». Hier sind die Werte zwar nur leicht unterdurchschnittlich, aber es gilt: Wo die Nachfrage hoch ist, muss auch das Angebot entsprechend angepasst werden, damit die Zufriedenheit und Wertschätzung der Mitarbeitenden sichergestellt ist. Fehlende Lohnanpassung kann in diesen beiden Beispielen ein Faktor für Fachkräftemangel sein. Es gibt aber auch Beispiele, in welchen klar andere Faktoren dafür ausschlaggebend sind. So erhielten viele Beschäftigte in den Branchen «Bau» und «Architektur» einen überdurchschnittlichen Teuerungsausgleich sowie eine überdurchschnittliche Reallohnerhöhung.

Zusätzliche Auswertungen zu den Lohnanpassungen, wie nach Funktionen und nach Firmengrösse, finden sich ebenfalls in der Broschüre «Saläre HF 2023/2024».

Fazit

Der Fachkräftemangel variiert je nach Branche, Firmengrösse, Region etc. Ein Ansatz zur Verbesserung können Lohnanpassungen sein. Diese haben ihre Berechtigung, da der Lohn für viele Arbeitnehmende eine tragende Rolle spielt und gerade an guten Mitarbeitenden ist schlecht zu sparen. Faire Lohnanpassungen können daher in bestimmten Bereichen ein hilfreiches Mittel sein, um die Attraktivität zu steigern. Um den Fachkräftemangel in den betroffenen Branchen zu senken, muss neben neu ausgebildeten Fachkräften vor allem auch daran gearbeitet werden, diese in den Branchen zu halten.