Einblick in die Welt der Piloten und Pilotinnen

m02_lh_marketing_latc_a320_training_0288_1.png

Mit Ron Teichmann, Accountable Manager/CEO der Horizon Swiss Flight Academy, und Carsten Mangasser, Leiter der Pilotenschule, Lufthansa Aviation Training Switzerland AG, sprechen wir über die Ausbildung «Pilot/in HF», deren Vorzüge und Herausforderungen.
 

Von Kay Uehlinger
 

Der Beruf Pilot war vor über 20 Jahren noch kein eidgenössisch anerkannter Beruf. Auch heute sei es noch so, dass die Berufspiloten- oder Linienpilotenausbildung ohne Ausbildung an einer Höheren Fachschule absolviert werden könne. «Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass eine Lizenzausbildung weltweit nicht zu einem anerkannten Abschluss führt», wie uns Carsten Mangasser erklärt. «Durch die höhere Berufsbildung in der Schweiz ist mit dem Studiengang ‹dipl. Pilot/in HF› ein einmaliges Berufsfeld entstanden, welches den Absolventen einen anerkannten Abschluss auf Tertiärstufe ermöglicht.» Die fliegerischen Kompetenzen würden sich jedoch nicht unterscheiden.

«HF-Absolvierende werden zusätzlich mit breitem Wissen ausgestattet», sagt Ron Teichmann. Die HF-Ausbildung umfasse unter anderem Themen wie Volks- und Betriebswirtschaft, Methodenkompetenzen und Luftfahrtpolitik. «Die zusätzlichen Kompetenzen ermöglichen den HF-Absolvierenden, später auch andere Funktionen in einem Flug- oder Aviatik-Betrieb auszuüben.» Konkret seien das Positionen wie Flugbetriebsleiter, Trainingsleiter oder Gesamtverantwortlicher/CEO.

Kompetenzbereich

«Grundsätzlich sind sie für die sichere Durchführung des gesamten Fluges, von der Planung über die Beladung und für den Flug verantwortlich», so Teichmann. Um ein Flugzeug fliegen zu dürfen, brauche es Kenntnisse in Meteorologie, Aerodynamik, Flugverfahren, Navigation, Luftrecht, Flugleistung und vieles mehr. Mangasser erklärt: «Der Kompetenzbereich lässt sich grob in neun Kernkompetenzen aufteilen wie Situationsbewusstsein, Leadership und Teamwork, effektive Kommunikation, Workload Management, Problemlösung und Entscheidungsfindung, Flugwegmanagement, Automatisierungskontrolle, Anwendung von Verfahrensweisen und vertieftes Wissen.»

Rund um die Ausbildung

Die Ausbildung an der Horizon Swiss Flight Academy, die über drei Jahre hinweg berufsbegleitend abläuft, sei sehr praxisorientiert. Auch wenn sich die Studierenden die ersten drei Monate mit Theoriefächern befassen müssten, komme bereits früh der praktische Teil – das Fliegen. «Während der Ausbildung fliegen die Studierenden das erste Mal nach ungefähr drei Monaten», erklärt Teichmann. Die erste fliegerische Praxis würden sie mit einmotorigen Propellerflugzeugen machen. «Nach rund 20 Flugstunden wird der erste Solo-Flug absolviert.» Rund ein Drittel der Studierenden sind in der HF-Ausbildung, wie uns Teichmann erzählt. Dies sei, weil die Studenten oftmals bereits einen Tertiärabschluss in der Tasche hätten, wie beispielsweise einen «Bsc Aviatik», oder schon in einem Alter, in dem das «Schneller-ans-Ziel-Kommen» wichtiger sei.

Ähnlich verhält sich der Start bei der «European Flight Academy», der fliegerischen Grundausbildung bei Lufthansa Aviation Training. «Während der Ausbildung fliegen die Schülerinnen und Schüler zunächst auf ein- und zweimotorigen Flugzeugen und erhalten mit Abschluss der Ausbildung die Berechtigung, gewerbsmässig mehrmotorige Flugzeuge im Sicht- und Instrumentenflug zu fliegen», erläutert Mangasser. «Nach der ca. 24-monatigen Ausbildung an der Flugschule erfolgt dann die sogenannte Typenschulung auf dem entsprechenden Flugzeugmuster bei der Airline.»

Volatiler Markt und hohe Ausbildungskosten

Der Fachkräftemangel ist auch in der Aviatik spürbar. «Der Fachkräftemangel der Piloten kann aus unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet werden», sagt Mangasser. Aus Sicht der Bildungsinstitutionen trüge hier ein volatiler Markt stark dazu bei. «Ausbildungen sind insbesondere in Krisenzeiten, wie zum Beispiel der Covid-19-Pandemie, weniger gefragt oder werden gedrosselt, da der Bedarf seitens der Flugbetriebe nur noch in deutlich geringerem Masse besteht.» Im Anschluss steige der Bedarf überproportional an und könne durch die Flugschulen nicht mehr gedeckt werden.

Als weiterer Faktor nennt Teichmann auch die hohen Ausbildungskosten. «Diese werden heutzutage kaum noch von den Flugbetrieben gezahlt.» Eigentlich sei die Ausbildung nicht teurer als beispielsweise die eines Juristen oder Arztes. Der Unterschied: «In diesen Beispielen wird die Ausbildung durch öffentliche Gelder bezahlt. Eine Pilotenausbildung, mit oder ohne HF, muss selbst finanziert werden.» Die Zusatzkosten der HF-Ausbildung hingegen würden durch kantonale Förderungen abgedeckt werden. Es gäbe jedoch auch weitere Möglichkeiten, die Kosten zu finanzieren oder Förderungen für einen Teil der Ausbildung zu bekommen.

«In Zukunft werden sich die Anforderungen, auch insbesondere der technischen Entwicklungen wegen, verändern»

Steigende Anforderungen und lebenslanges Lernen

Die Anforderungen an Berufspiloten und -pilotinnen seien sehr hoch. Teichmann führt fort: «Als Pilot ist man heute immer weniger jemand, der das Flugzeug fliegt, sondern ein System Manager.» Es werden Systemkenntnisse und Kenntnisse über Digitalisierung verlangt. «Veränderung ist stetig und die Piloten und Pilotinnen müssen heutzutage in der Lage sein, sich mit neuer Technologie auseinanderzusetzen und sie zu erlernen.»

Für Berufspiloten und -pilotinnen gilt: «Sie müssen für den Erhalt ihrer Berechtigungen jährlich einen Prüfungsflug machen.» Diese Prüfung erfolge meist in einem Simulator und sei an eine Auffrischungsschulung gekoppelt, dessen Inhalt sich jährlich verändere. «Darüber hinaus müssen sie auch ihre medizinische Tauglichkeit jedes Jahr erneuern», sagt Teichmann.

«In Zukunft werden sich die Anforderungen, auch insbesondere der technischen Entwicklungen wegen, verändern», so Mangasser. Neue Technologien und Antriebstechniken würden die konstante Weiterentwicklung des Bildungsganges notwendig machen. «Bereits heute forschen wir an der Einsatzmöglichkeit von Mixed-Reality-Simulatoren¹, Assistenzsystemen zur Darstellung der kognitiven Belastungssituation von Schülern und Schülerinnen in Echtzeit (Workload Management) und Ansätzen, die Ausbildung deutlich nachhaltiger abbilden zu können, wie zum Beispiel mit dem Einsatz von Synthetic Aviation Fuel, E-Motoren etc.»

Ist es noch ein Traumberuf?

Lange Zeit galt der Beruf «Pilot» als absoluter Traumberuf. Doch sind die beruflichen Pflichten mit dem Lebensstil der heutigen Zeit noch vereinbar? «Aus Sicht der Flugschule ist diese Frage noch immer mit einem ‹Ja› zu beantworten», meint Mangasser. «Für viele ist das Berufsbild nach wie vor attraktiv und zahlreiche Flugbetriebe haben unter anderem mit Teilzeitmodellen oder interessanten Zusatztätigkeiten, wie beispielsweise als Fluglehrer oder mit Tätigkeiten in Managementpositionen, Optionen geschaffen.»

«Wie in jedem anderen Beruf gibt es Licht- und Schattenseiten», führt Teichmann aus. Als Berufspilot habe man unregelmässige Arbeitszeiten. «Teilweise muss man morgens früh einen Flug übernehmen, danach wieder einen späten. Einmal hat man unter der Woche frei, dann wieder an einem Sonntag.» Der Beruf habe aber auch klare Vorteile, wie Teichmann sicherstellt: «Der Tag ist beendet, wenn das Flugzeug ‹on Blocks› (auf Parkposition) ist, sprich, man trägt die Arbeit selten mit nach Hause. Wer zudem technikbegeistert ist, der kommt hier voll auf seine Kosten.» Schliesslich habe man in der Fliegerei mit der neuesten Technik zu tun. Ganz zu schweigen vom Ausblick aus dem Cockpit. «Der ist unschlagbar!»

1Vermischung von physischer Hardware mit einer virtuellen Umgebung